Rancia Chianti Classico Riserva 1990

Rancia Chianti Classico Riserva 1990

Juni 17, 2015 Aus Von Jörg Uwer
Rancia Chianti Classico Riserva 1990

Rancia Chianti Classico Riserva

Winzer:  Fattoria di Fèlsina
Rebsorte:  Sangiovese
Ort & Region: Castelnuova Berardenga, Toskana
Land: Italien

Chianti!…Wir Älteren können uns vermutlich noch gut an die strohummantelten, bauchigen Flaschen erinnern, deren übel schmeckender, unzähliger Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention schuldiger Inhalt ihrem italienischen Namen „Fiasco“ zu einer berechtigten Konnotation verhalf und deren Baströckchen-Äußeres in Verbindung mit reichhaltigem Konsum des Inneren so manchen männlichen Schluckefix mit wilden Träumen in den Schlaf entsandte…dessen virtuelles Erwachen dann jedoch leider nicht auf Hawaii in den Armen einer eben mit Bikini und Bastgewand bekleideten schönen Dame stattfand, sondern ein paar Seemeilen weiter im Bikini-Atoll inmitten eines nicht ganz so schönen, komplett schief gegangen Atomtests…!

Das ist zum Glück schon einiges her und dass es auch schon lange anders geht, beweist bereits seit vielen Jahren die Fattoria di Fèlsina in Castelnuova Berardenga, im Chianti Classico-Gebiet der Toskana. Bereits seit Anfang der 80er Jahre haben die Protagonisten von Fèlsina konsequente Qualitätsmaßnahmen ergriffen, wie die Verringerung der Erträge, neue Erziehungssysteme und eine spätere Lese, um eine höhere Reife der Trauben zu erreichen. Die Qualitäten von Fèlsina sind seitdem so konstant hoch, dass das Weingut in der ewigen Bestenliste der italienischen „Weinbibel“, dem „Gambero Rosso“, zu den zehn Erfolgreichsten ganz Italiens gehört. Fèlsina stellt u.a. mit dem „Fontalloro“ (einem „Supertoskaner“, auch wenn der Begriff mittlerweile recht inflationär gebraucht wird und daher etwas abgedroschen erscheint…) und dem „Rancia Chianti Classico Riserva“ zwei herausragende, reinsortige Sangiovese-Weine her, die beide erstmalig 1983 erzeugt wurden.

Wir haben das Vergnügen, den Rancia 1990 zu verkosten…Moment, 1990? Ja, genau, 1990…die Mauer war vor einem Jahr gefallen, Deutschland wurde mal wieder Fußballweltmeister, bei „Uschi-TV“ (Unterschichtenfernsehen) lief „Tutti Frutti“ und Michael Jackson war nicht nur noch lebendig, sondern auch noch fast schwarz.

In der Fattoria di Fèlsina war 1990 der letzte Jahrgang wo der Rancia Chianti Classico Riserva nach dem Governo Verfahren vinifiziert wurde.  Dabei wurden etwa 10% der Trauben getrocknet und erst Ende November gepresst. Noch während der Gärung wurde dann der Most dem Rest des bereits vergorenen Weines zugesetzt und damit eine malolaktische Gärung eingeleitet. Diese Technik soll bitteren Weinen etwas mehr Frische und Süße verleihen.

Der 1990er Rancia präsentiert sich im Alter von fast 25 Jahren noch fast schwarz im Glas, zumindest sehr dunkel und undurchdringlich. In der Nase finden sich neben den Sangiovese-typischen Kräuter-, Gewürz-, Teer- und Piniennoten eben auch „Tutti Frutti“: Kirschen, Pflaumen und dunkle Beeren. Die Fèlsina-einzigartigen Tannine sind immer noch fest und sorgen für die enorme Langlebigkeit des Weins. Dies gilt übrigens für viele der mit hohen Qualitätsmaßstäben hergestellten Chianti Classicos und „Supertoskaner“ auf Sangiovese-Basis, wie der italienische Weinkritiker Antonio Galloni bei Besuchen renommierter toskanischer Weingüter im Jahre 2012 festgestellt hat.

Der Rancia ist enorm vielschichtig, aromenreich und mineralisch. Ein wahrlich großer Toskaner, der noch einige Jahre viel Freude bereiten wird. Die Ausgaben für den naturgemäß heute sehr raren 1990er dürften zu Korrekturen der Schätzungen des Erbschaftssteueraufkommens bei den Finanzbehörden führen. Die Preise der aktuellen Rancia- und Fontalloro-Jahrgänge sind allerdings deutlich moderater, die Qualität der Weine aber keineswegs schlechter, im Gegenteil, die sind eine sichere Bank mit überaus attraktiven Zinsen in Form exquisiter Weingenüsse…und wo gibt es die in diesen Zeiten noch?

Geschmack: 4 von 5 Punkten, Preis/Leistung: 2 von 5 Punkten

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