Variety Tasting – unsere Redaktionssitzung

Variety Tasting – unsere Redaktionssitzung

März 16, 2016 Aus Von Nico Meisner

wein redakteure mit Rotweinflasche

Wer sich schon mal gefragt hat, welche Köpfe sich eigentlich hinter den Artikeln des Wein-Blogs verbergen, der erhält hier nun die Auflösung: Initiiert hat diesen Blog Nico Meisner. Die Idee des Blogs wurde geboren, als er sich zu einem runden Geburtstag, um mehr oder weniger brauchbaren Einzel- und Sammelgeschenken vorzubeugen, von allen eingeladenen Gästen eine Flasche Wein wünschte und dabei versprach, über jeden Wein ein wenig zu schreiben.

Los ging es damit im Frühjahr 2012. Im Jahr 2014 kam dann die ausgebildete Sommelière Anne Gerhards dazu, die zwar nicht mehr als solche arbeitet, nach wie vor aber großes Interesse vor allem für deutsche Weißweine hegt. Jörg Uwer stieß 2015 dazu und widmete sich fortan der süffisanten Vorstellung anspruchsvoller Rotweine.

Ein gemeinsames „Tasting“ der Redakteure war längst überfällig und so trafen sich Nico Meisner und Jörg Uwer, die ihre Vorliebe für körperreiche Rotweine teilen, zu einer „Redaktionssitzung“  im Hause Uwer in Frankfurt am Main. Nebst erlesenen Speisen und guter Konversation stand selbstredend auch eine interessante Verkostung auf dem Programm:

Der Einstieg

Marques de Murietta Castillo Ygay 1978Als erstes ließ es sich der Gastgeber natürlich nicht nehmen, seine Gäste aufs Glatteis zu führen und dies im Hinblick auf Herkunft und Alter des ersten, blind verkosteten Weins, einem Marques de Murietta Castillo Ygay Gran Reserva Especial 1978. Dieser ist tatsächlich auch ein ganz spezieller Vertreter aus der Rioja.

Der Gründer des Weingutes, Luciano Francisco Ramón Murrieta García-Ortiz de Lemoine, brachte als erster die Kenntnisse der französischen Weinbaukunst in die Rioja und war der erste der Rioja-Weine ins Ausland exportierte. Das Flaggschiff des Weingutes, der Castillo Ygay Gran Reserva Especial, wird nur in außerordentlich guten Jahrgängen hergestellt.

1978 war ein solch hervorragender Weinjahrgang in der Rioja. Die historischen Jahrgänge des Weins (neben dem 1978er auch ältere Jahrgänge wie 1917, 1925, 1942, 1952, 1959, 1964, 1968 und 1970) reiften dabei etwa 20 -30 Jahre (!) im Holzfass, bevor sie nach weiteren Jahren der Flaschengärung auf den Markt kommen. Trotzdem hat der Wein 37 Jahre später immer noch etwas von einer jugendlicher Frische und weist keinerlei Alterungstöne auf.

Der Cabernet Sauvignon-Flight

Andersons Conn-Valley und Gröhl Cabernet Sauvignon 2007Nach diesem eindrucksvollem Auftakt mit einer spanischen Weinlegende widmeten wir uns der Rebsorte Cabernet Sauvignon. Dabei haben wir mit dem Anderson’s Conn Valley Cabernet Sauvignon Reserve 2007 aus dem Napa Valley in Kalifornien einen „Neue Welt“-Wein einem hiesigen Erzeugnis, dem Gröhl Cabernet Sauvignon Reserve 2007 aus Rheinhessen, gegenübergestellt. Dies war eine neue Erfahrung für mich, denn Cabernet Sauvignons aus Nordamerika kannte ich so gut wie gar nicht und auch das Geschmacksmuster des Gröhl war neu für mich. Beide Weine zeigten aber auf ihre eigene Art die vornehmen Aromen der Rebsorte: Der Anderson’s Conn Valley duftete und schmeckte eindrucksvoll nach schwarzer Johannisbeere, verwoben mit Graphit, Lakritz, Zedernholz und etwas Schokolade im Abgang. Ein großer Wein aus einem großen kalifornischen Jahrgang! Eine echte Überraschung war der Cabernet Sauvignon Reserve von Gröhl, denn aus Rheinhessen erwartet man üblicherweise nicht einen Cabernet Sauvignon von solcher Tiefe und Komplexität. Auch bei diesem Wein waren die Cassis-Aromen prägnant, wobei auch die Holztöne deutlich zu vernehmen waren. Beide Weine versprechen eine lange Zukunft und sollten ihren Genießern noch viele Jahre mit einer spannender Entwicklung bescheren.

Der Garnacha-Flight

Alto Moncayo 2011 Tres Picos 2012Im nächsten Flight unseres Rebsorten-Tastings widmeten wir uns Spanien und der Rebsorte Garnacha. Mit dem Alto Moncayo 2011 der Bodegas Alto Moncayo kam der von den „üblichen Verdächtigen“ unter den Weinkritikern höchstbewerteste Wein im Glas. Dazu gab es mit dem Tres Picos 2012 der Bodegas Borsao ebenenfalls einen sehr interessanten Wein. Diese Weine hatte Jörg Uwer aus einem besonderen Grund ausgesucht. Üblicherweise ist sein Schwerpunkt bei den redaktionellen Beiträgen eher bei Rotweinen jenseits der 20 Euro-Marke zu finden, während sich Nico Meisner eher mit Rotweinen in der Klasse bis 20 Euro befasst. Der Tres Picos setzt dabei einen Maßstab, was in der unteren Preisklasse qualitativ möglich ist, während der Alto Moncayo 2011 verdeutlichen sollte, was den Unterschied ausmacht, wenn man dann eben mindestens den doppelten Betrag investiert.

Der Tres Picos 2012 machte schon beim ersten Schluck klar, warum der von Robert Parker 2014 die Auszeichnung  „Greatest Value Wine of the Year 2014“ bekommen hat. Satte, orpulente Garnacha-Frucht, komplex am Gaumen und unglaublich leckere Aromen von Zimt und Schokolade an der Nase. Ein toller Wein, der vom ersten Moment an Spaß macht. Der Alto Moncayo 2011 konterte dann aber gewaltig. Er explodierte förmlich im Glas und bot über dem Abend eine nahezu perfekte Aromen-Choreografie. Dunkle Beeren, Kirscharomen, Lakritze, verschiedene Gewürze und vieles mehr wechselten sich in ihrer Ausprägung ab, sodass man über den Abend den Eindruck hatte, aus einerm Glas verschiedene Weine zu trinken. Stets wies der Alto Moncayo aber eine herausragende Länge und eine wunderbare Konzentration auf.

Der Syrah-Flight

Syrah Cuvee Emilie Apricot Block 1999Zum Finale des Tastings widmeten wir uns dann der Syrah-Traube, ebenfalls mit einem Duell „alte Welt gegen neue Welt“, hier aus dem Jahrgang 1999. Diese Rebsorte stammt ursprünglich aus dem Rhônetal. In Frankreich wird auch (wieder) am meisten Syrah angebaut, gefolgt von Australien.

Als ersten ins Glas kam der Domaine des Remizières Hermitage Cuvée Emilie 1999, nach Punkten eines einschlägigen, in der Weinwelt vielzitierten Herren mit 96 Punkten der in dieser Skala höchstbewertete Wein des Abends. Die Domäne von Remizières liegt im nördlichen Teil des Rhônetals in den Regionen Crozes-Hermitage und Hermitage . Das Weingut weist eine vergleichsweise junge Historie auf – erst seit 1973 wird die gesamte Ernte in der Domaine verarbeitet und eigenständig vermarktet. Der Winzer Philippe Desmeure ist ein Repräsentant jener ‚Nouvelle Vague‘ von jungen ehrgeizigen Winzern an der nördlichen Rhône, obgleich er international noch nicht übermäßig bekannt ist. Aber zurück zum Wein: hier gab es dunkle Beerennoten, vor allem Brombeere, und dunkle Schokolade mit würzigen Noten sowie Röstaromen. Der Wein ist sehr konzentriert und hat dazu einen sehr langen und üppigem Abgang.  Definitiv ein großer Hermitage mit enormem Entwicklungspotenzial.

So ziemlich am anderen Ende der Welt liegt dagegen das Weingut Greenock Creek im australischen Barossa Valley. Greenock Creek, eines der Lieblingsweingüter des Kollegen Uwer, zählt mit seinen Premium-Einzellagen-Shiraz zu den weltweit renommiertesten Produzenten erlesener Syrah-Weine. Der Weinstil steht für üppige, hochreife Frucht, die konzentriert und unglaublich intensiv ist. Interessant ist eine Parallele zu der Domaine des Remizières. Auch Greenock Creek verkaufte seine Ernte noch bis in die 70er Jahre an andere Weingüter, bevor die Inhaber Michael und Anabelle Waugh beschlossen, eigenen Wein zu keltern und zu vermarkten.  Die Weine gelangten aufgrund ihrer herausragenden Qualität schnell zu Berühmtheit, was die ohnehin kleine Jahresproduktion von etwa 2.500 Kisten zu gesuchten Raritäten macht. Der Apricot Block 1999 fällt zunächst durch seine Farbe im Glas auf. Er kommt nahezu undurchsichtig in Schwarz-Lila ins Glas. Diese Dichte bestätigt sich dann auch an der Nase und am Gaumen. Es finden sich konzentrierte Aromen von Pflaume, Brombeere, Gewürzen (v.a. Pfeffer) und Lakritze und eine vielschichtige Komplexität.

Beide 1999er Syrahs präsentierten sich in einem erstklassigen Zustand und als ein Genuss für uns Liebhaber komplexer Rotweine. Interessant wäre es gewesen, diesen Jahrgang im Vergleich einerseits bereits ein paar Jahre früher getrunken zu haben. Andererseits sind beide Weine heute auf einem Top-Niveau, wo sie auch noch viele Jahre blieben sollten, sodass wir uns dieses Vergnügen in der Zukunft ggf. nochmals bereiten werden.

Wein Tasting Hauptgericht

Das Essen

Zum guten Wein gehört natürlich auf ein gutes Essen und wenn wir hier einen Foodblog statt einen Weinblog betreiben würden, könnten wir genauso über die von den Gastgebern servierte Menüfolge und dessen exzellente geschmackliche Nuancen schreiben. Aber das nehmen wir uns dann für eine der nächsten Redaktionssitzungen vor.

 

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